Beurteilungskriterium


Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt. (Mahatma Gandhi)

Ich komme mir ja manchmal arg arrogant vor, wenn ich Menschen danach beurteile, wie sie Tiere behandeln. Andererseits stelle ich immer wieder fest, dass ich absolut recht damit habe.

Bei uns auf dem Gelände, auf dem ich arbeite, streunt seit etlichen Wochen ein Kater herum, der die Ratten entdeckt hat, die da herumlaufen. Das heißt, seit er da ist, laufen sie nicht mehr herum, denn er ist da sehr fleißig. Manchmal kommt er in unser Gebäude, um sich auf den kalten Fließen niederzulassen und sich abzukühlen. Immer wieder passiert es dann, dass jemand ihn von dort vertreibt. Alleine das finde ich schon sehr eigenartig, denn Katzen sind keine tollwütigen Hunde oder andere mordsgefährliche Tiere, die einem grundlos Schmerz zufügen. Vor ein paar Tagen trampelte mal wieder ein Typ lautstark auf den Kater zu (was schon sehr behindert lustig aussah) und schrie hysterisch »Hau ab! Hau ab!«. Wäre der Kater nicht so reaktionsschnell gewesen, hätte er noch einen Fußtritt abbekommen. Ich sehe das und denke sage: »Arschloch!«

Und ich hatte mal wieder recht. Denn alles, was ich vorher und seitdem von ihm gehört habe, war menschenverachtend. Zuletzt machte er sich weit, weit unter der Gürtellinie über Natascha Kampusch lustig. (Wobei das Kampusch-Interview wieder eine andere Geschichte ist, über die ich mich hier nicht auslasse.)

In meiner wilden Jugend™ war ich mit jemandem befreundet, der hatte es sich zum Hobby gemacht, Katzen und Hunde mit Steinen zu bewerfen und ihnen auch sonst nichts Gutes anzutun. Damals war ich weit weniger Herr meines Verstandes und fand ihn und damit auch seine Taten cool. Später erst stellte ich fest, was für ein beschränkter Idiot und Versager er ist. Einer, der wirklich große Probleme hat(te).

Als ich beim Elbe-Hochwasser im THW-Einsatz war, gab es einen jugendlichen Einheimischen, dessen Elternhaus gerade mit Wasser volllief. Ich war mit etwa weiteren fünf Mann angerückt, um mit Sandsäcken und anderen Mitteln zu verhindern, dass der Heizungskeller und damit der Öltank unter Wasser steht. Dieser Typ hatte derweil nichts besseres zu tun, als fliehendes Kleingetier (Ratten, Mäuse, Eichhörnchen) zu jagen. Als er es endlich geschafft hatte, eine Ratte oder Maus – so genau war das nicht mehr zu erkennen – mit einem einzigen Fußhieb totzutreten (immerhin, Hochachtung vor der Reaktionsgeschwindigkeit), bot ich ihm Prügel an. Das erste und bisher einzige Mal übrigens, an dem ich nur noch körperliche Gewalt als Lösungsmittel sah – wahrscheinlich war ich einfach nur übermüded und überfordert. Jedenfalls fing er sofort an zu heulen und winselte geradezu (um Gnade oder Verständnis oder irgendetwas anderes – ich konnte ihn nicht mehr verstehen). Ich merkte, dass das unter Wasser stehende Haus, in dem er gestern noch wohnen konnte, sein wirkliches Problem ist.

Um das zusammenzufassen: Menschen, die Tiere mies behandeln, kompensieren entweder ein anderes Problem an Schwächeren oder sind einfach nur beschränkte Arschlöcher. Man kann sich die Mühe machen und versuchen, herauszufinden, was von Beidem zutrifft. Man kann aber auch einfach nur versuchen, Tierquälerei zu verhindern.