Erst klauen, dann betteln


Der Betreiber der Internetseite textz.com, das „& in copy & paste“, wurde verklagt, weil er zwei Adorno-Texte ohne Erlaubnis veröffentlichte. Sebastian Lütgert kam der Aufforderung einer Unterlassung seit August 2002 nicht nach und wundert sich jetzt über das letzte Mittel, an ihn heranzukommen: einen Haftbefehl. Konkret geht es um 2.331,32 Euro, die er als Schadensersatz an die Rechteinhaber von Adornos Werken, die „Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur“, geleitet von Jan Philipp Reemtsma, zahlen soll. Sebastian Lütgert hat einen Schriftwechsel mit deren Anwälten veröffentlicht, die für seine ausufernden Erklärungsversuche wenig Sinn zeigten, und ihn lapidar darauf hinwiesen, dass er lange genug Zeit hatte, sich zur Sachlage zu äußern.

Es trifft zu, daß wir für unsere Mandantin den Erlaß eines Haftbefehls gegen Sie beantragt haben. Dies ist notwendig geworden, weil Sie es, obwohl Ihnen die erste einstweilige Verfügung bereits Ende August 2002 zugestellt worden war, trotz zahlreicher Zahlungsaufforderungen seit über einem Jahr nicht für nötig befunden haben, sich zu Ihren rechtswidrigen Handlungen und den dadurch verursachten Schaden zu erklären.

Desweiteren fordern die Anwälte eine Erklärung über Lütgerts Vermögensverhältnisse:

Der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls stellt das letzte Mittel des Gläubigers dar, die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu ermitteln. Unser Vorgehen dient mit anderen Worten einzig dem Zweck, Sie endlich dazu zu zwingen, sich über Ihre Einkommenssituation und Ihr Vermögen zu erklären.

Der Beschuldigte erklärt dazu in seiner Antwortmail:

Meine Einkommenssituation ist schnell erklärt: ich beziehe weder ein festes Einkommen oder staatliche Beihilfen, noch verfüge ich über Vermögen oder Besitz, aus dem ich die Forderungen Ihrer Mandantin begleichen könnte. Ich bewerbe mich jedoch zur Zeit um eine Reihe von Stipendien, Spenden und Schenkungen, die dem Zweck dienen sollen, den von Ihrer Mandantin geforderten Betrag aufzubringen, und ich bin zuversichtlich, dass dies in absehbarer Zeit möglich sein wird.

Ab hier wird der Sachverhalt unverschämt. Da wird nicht nur wissentlich gegen geltendes Recht verstoßen. Jetzt sollen andere auch noch für den Schaden aufkommen. Praschl ist sofort auf den Zug aufgesprungen und verlinkt eilig mit dem Befehl: Donate! Spendet für einen edlen Zweck.

Nein, so geht das nicht. Völlig egal, ob die Idee hinter textz.com gut oder schlecht ist. In einer Gesellschaft gibt es nicht ohne Grund Gesetze, an die sich alle zu halten haben. Wenn du dich gegen eine Vorschrift wehren willst, gibt es dafür wesentlich bessere Möglichkeiten, als dagegen zu verstoßen. Gibt es tatsächlich keine anderen Wege als das bewusste Verstoßen gegen Gesetze mehr, dann sollte man das auch kundtun. Man muss damit offensiv an die öffentlichkeit gehen und alle aufzeigen, wie sinnlos ebendieses Gesetz ist. Wenn man aber so dumm ist, aus dumpfen Idealismus eine Sache anzugehen und dann nicht dafür geradestehen will, dann muss man verdammt nochmal auch die Folgen tragen. Es ist eine riesige Unverschämtheit, die Folgen seines Handelns auf andere Schultern auslagern zu wollen. Auf diese Weise wird niemals etwas geändert werden, auf diese Weise werden die Fronten nur noch härter. Ich bezweifle, dass Sebastian Lütgert jemals den Rechteinhaber angeschrieben und um Erlaubnis zur Veröffentlichung dieser Texte gebeten hat. Vielleicht hätte die Stiftung die Initiative im Sinne Adornos bejat. Man weiß es nicht.

Weiterführender Link: Meldung im Heise Newsticker.